Happy Herbst!
Endlich. Nach elf Monaten ist er wieder da – mein Lieblingsmonat: Oktober. Ich bin eine leidenschaftliche Herbstfreundin und freue mich jedes Jahr darauf, wenn die Schatten wieder länger werden. Denn dann passiert´s: Das große Farbenschauspiel, die umwälzende Verwandlung. Ein letztes Mal fährt die Natur ihre gesamte Farbpalette auf, um danach in einen stummen, schwarzweißen Winterschlaf zu fallen. Dann halten wir inne, und der Zyklus beginnt auf einem unbeschriebenen Blatt wieder von vorn.
Jetzt im Oktober leuchtet alles noch mal so richtig auf. Goldgelb, kastanienrot, strandperlenblau. In dieser Zeit sitze ich am liebsten schön warm eingemummelt an der Elbe. Früh morgens sehe ich der aufgehenden Sonnen dabei zu, wie sie die Herbstfarben in den Tag hineinzaubert. Das ist doch pure Magie! Ein Wunderwerk. Still und staunend sitz ich dann da – solange bis der erste Maimann versucht, mir diesen schönen Augenblick zu vermiesen. „Maimann“? Was ist ein Maimann? Also: Ein Maimann geht zum Beispiel morgens mit seinem Hund an der Elbe spazieren und kommt überhaupt nicht gut mit dem Herbst klar. Seine Lieblingsjahreszeit ist Frühling. Erst mit der Sommerzeitumstellung im März werden seine Lebensgeister langsam geweckt. Und ab Mai ist er dann voll und ganz wieder da – in blühender Vitalität. Einen ausgedehnten, prächtigen Sommer lang. Bis spätestens im Oktober mit der Winterzeitumstellung für den Maimann die ganz große Schwermut beginnt. Das Herbstlaub wird zum Symbol der eigenen Vergänglichkeit, und die langen Schatten jagen ihm wie dunkle Gespenster hinterher. So ein Maimann trifft dann nun morgens an der Elbe auf eine Oktoberfrau wie mich. Ein Gespräch beginnt:
Maimann: „Moin!“ – Oktoberfrau: „Moin!“ – Maimann: „Ganz schön frisch geworden.“ – Oktoberfrau: „Ja, herrlich.“ – Maimann: „Tja, Hamburg ist nicht Mallorca.“ – Oktoberfrau: „Na, zum Glück!“ – Maimann: „Dort scheint jetzt die Sonne!“ – Oktoberfrau: „Hier doch auch.“ – Maimann: „Das nennen Sie Sonne?! Bestimmt regnet es gleich wieder.“ – Oktoberfrau: Da ist doch gar keine Wolke am Himmel!“ – Maimann: „Also, Regen ist nicht so meins.“ – Oktoberfrau: „Es regnet nicht. Die Sonne scheint!“ – Maimann: „So so eine Optimistin... Ich glaub, ich werde krank!“ – Oktoberfrau: „Von der Sonne?“ – Maimann: „Nee, vom Regen!“ – Oktoberfrau: „Von welchem Regen?“ – Maimann: „Na dem Regen, der gleich kommt!“ – Oktoberfrau: „Aber da ist doch keine einzige Wolke am Himmel!“ – Maimann: „Ja, NOCH nicht!“ – Oktoberfrau: „(Pause) ...Ich glaube, Sie haben Angst vor dem Tod!“ – Maimann: „Wie bitte?“ – Oktoberfrau: „Haben Sie Angst vor der eigenen Vergänglichkeit? Das macht der Herbst.“ – Maimann: „Sagen Sie mal, spinnen Sie?!“ – Oktoberfrau: „Ich? Sie behaupten doch, es würde regnen bei strahlendem Sonnenschein.“ – Maimann: „Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt. Ich hab doch nur gesagt, dass Hamburg nicht Mallorca ist.“ – Oktoberfrau: „(Pause) Ich mag Hamburg im Herbst.“ – Maimann: „Ich mag Mallorca im Mai. (Pause) Na dann...“ – Oktoberfrau: „Na dann... Schönen Tag noch. Und gute Besserung!“
Es gibt Begegnungen, die passen einfach nicht zusammen. Verschiedene Blicke, die einfach nicht das gleiche Bild sehen. Mal angenommen, der Maimann hätte statt mir ein munteres Maimädchen getroffen, wahrscheinlich wäre das Gespräch dann ganz anders verlaufen. Leichter, lässiger, vielleicht auch lustiger... (Diesen Dialog mag sich hier bitte jeder selbst ausdenken.) Meinem Gemüt ist die zurückhaltende Nachdenklichkeit irgendwie näher – besonders wenn die Tage kürzer werden. Ich liebe den Herbst, gerade weil er mich introvertiert macht. Es fühlt sich wie eine schöpferische Melancholie an. Kreativität steckt doch genau in diesen leeren Zwischenräumen und Übergangsphasen. Es lohnt sich, der Ungewissheit nachzugeben. Still staunen, geht immer – auch bei Regen. Das ist schön. Happy Herbst!
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